Sina ist eine der Hauptfiguren aus dem Roman „Salzberggöttin“, der hauptsächlich in Hallstatt spielt. Ein weiterer wichtiger Schauplatz ist die Fraueninsel (Traunkirchen am Traunsee).
Interviewerin (I):
Bergherrin, ich danke dir, weil du dir die Zeit für dieses Interview nimmst.
Sina (S):
Das ist doch selbstverständlich. PR ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg eines Unternehmens.
I:
Mit „Unternehmen“ meinst du das Salzbergwerk in Hallstatt, für das du verantwortlich bist?
S:
Genau. Wir nutzen hier seit vielen Generationen das Salz, das uns die Göttin schenkt, und ich bin sicher, das wird auch noch viele Jahre so weitergehen. Alle Menschen brauchen Salz, und wir wissen, wie man es aus dem Berg holt.
I:
Kannst du mir genauer beschreiben, welche Rolle du für den Salzberg hast?
S:
Nun, ich bin die Bergherrin. Ich wurde von den Priesterinnen aus dem Südlichen Heiligtum gewählt, und die Bergleute hier haben zugestimmt. Meine Aufgabe ist es, gemeinsam mit ihnen dafür zu sorgen, dass der Bergbau ordnungsgemäß abläuft. Vor allem geht es mir um die Sicherheit der Männer und Frauen im Berg. Dazu gehört auch, regelmäßig die vorgeschriebenen Lieder zu singen und die Göttin um Erlaubnis zu bitten. Mein Mann Hiram sagt uns, wie das abzulaufen hat, und wann der richtige Zeitpunkt ist.
I:
Hast du Kinder?
S:
Wir haben eine Tochter, Renis. Sie ist eine verantwortungsbewusste junge Frau und weiß über die Rituale zu Ehren der Göttin beinahe so gut Bescheid wie Hiram. Jedenfalls besser als ich (lacht). Und wir haben einen Sohn. Tolan ist gerade auf einer Reise, und ich bete täglich zur Göttin, damit er gesund wieder nach Hause kommt.
I:
Was ist der Zweck seiner Reise?
S:
(Seufzt) Er wollte die Welt sehen, wie sie außerhalb unserer Berge ist. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn üblicherweise kommt die Welt zu uns.
I:
Wie meinst du das?
S:
Nun, ich habe ja gesagt, dass alle Menschen Salz benötigen. Wir holen es nicht nur für uns aus dem Berg. Dafür müssten wir nicht das ganze Jahr arbeiten. Nein, wir verteilen das Salz in weitem Umkreis, bis in entfernte Länder. Von dort kommen die Leute zu uns, um ihren Anteil an dem, was die Göttin uns schenkt, abzuholen. Wir wissen recht gut Bescheid darüber, was am Großen Fluss passiert, oder im Westen und im Süden. Tolan hätte nicht dorthin reisen müssen, um etwas zu erfahren. Aber ich kann verstehen, dass er es mit eigenen Augen sehen möchte.
I:
Bleiben wir noch eine Weile beim Salz. Du hast gesagt, die Menschen kommen, um es hier abzuholen. Es ist ein weiter Weg bis hierher ins Hochtal. Ich bin einigermaßen ins Schwitzen gekommen auf dem Steilhang über dem See und bis hier hoch zu deiner Halle. Das tun die Leute sich an?
S:
Natürlich! Das hier ist der Berg der Göttin! Um ihr zu begegnen, nehmen die Menschen das gerne auf sich. Außerdem findet einmal im Jahr ein großes Fest statt, das Bergfest. Das ist die Gelegenheit, sich zu treffen, gemeinsam zu feiern und sich im Wettkampf zu Ehren der Göttin zu messen. Danach erhalten alle das Salz. Aber nicht alles.
I:
Nicht alles?
S:
Wir haben im ganzen Land Orte, von denen aus das Salz weiter verteilt wird. Der wichtigste Ort ist die Fraueninsel. Dort lagert sehr viel Salz, das mit Booten hingebracht wurde. Nach dem großen Bergfest erfahren die Frauen dort, wie viel davon sie wem bringen oder übergeben sollen. Die Menschen müssen nicht ihren gesamten Anteil persönlich vom Berg tragen. Das übernehmen wir für sie.
I:
Das klingt, als würdet ihr das Salz verschenken.
S:
So ist es. Ein Geschenk der Göttin.
I:
Das ist ungewöhnlich.
S:
(Runzelt die Stirn.) Nein, überhaupt nicht. Wir werden aus dem ganzen Land mit allem versorgt, was wir zum Leben und für die Arbeit am und im Berg benötigen. Unsere Aufgabe ist es, uns um das Salz zu kümmern.
I:
Kommen wir zu etwas anderem. Ich bewundere schon die ganze Zeit die Kette, die du trägst. Das ist Bernstein, nicht wahr?
S:
Richtig. Sie ist ein Geschenk meiner Mutter. Ich habe ehrlich gestanden vergessen, zu welchem Anlass ich sie bekommen habe, aber ich weiß, dass sie schon sehr lange in meiner Familie ist. Wenn ich die Perlen gegen das Licht halte, habe ich das Gefühl, in die untergehende Sonne zu schauen. Ehrlich gesagt würde ich gerne das ferne Meer im Norden sehen, aus dem der Bernstein stammt.
I:
Dann hat Tolan seine Reiselust vielleicht von dir?
S:
(Lacht) Ja, wahrscheinlich. Nur halten mich meine Pflichten davon ab, ihr nachzugeben. Aber das ist in Ordnung. Ich bin sehr dankbar, hier sein zu dürfen. Der Salzberg, der See, die Menschen, die zusammenhelfen, um das Salz zu holen, meine Familie … Das hier ist meine Heimat. Ich hoffe, ich darf mich noch viele Jahre um diesen Ort kümmern.
I:
Das wünsche ich dir, Sina Bergherrin. Danke für das Gespräch.
S:
Sehr gerne. Dann darf ich dich jetzt zum Essen einladen.
I:
Was gibt es denn?
S:
Bohneneintopf.

